Bisherige Rechtsprechung zur Kündigung von Bausparverträgen durch die Bausparkasse
1. Kündigung von Bausparverträgen mit Erreichen der Bausparsumme
In der Rechtsprechung (OLG Köln v. 23.3.2015 – 13 U 104/14; OLG Frankfurt v. 2.10.2013 – 19 U 106/13; OLG Stuttgart v. 14.10.2011 – 9 U 151/11; LG Heilbronn v. 23.7.2013 – 6 O 118/13/Bi) besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Bausparkassen berechtigt sind, Bausparverträge zu kündigen, deren Bausparsumme erreicht wurde.
Das Kündigungsrecht ergibt sich daraus, dass der Bausparer ab diesem Zeitpunkt nur noch das Recht auf Verzinsung bzw. Rückzahlung der Bausparsumme hat. Ein Darlehensanspruch besteht demgegenüber Seitens des Bausparers nicht mehr. Vielmehr stellt die Bausparsumme dann ein Darlehen an die Bausparkasse dar, so dass die gesetzlichen Regelungen zum Darlehensrecht Anwendung finden, konkret das Kündigungsrecht zugunsten der Bausparkasse gem. § 488 Abs. 3 BGB.
2. Kündigung von Bausparverträgen vor Erreichen der Bausparsumme
Die Rechtmäßigkeit von Kündigungen vor Erreichen der Bausparsumme wird in der Rechtsprechung bislang uneinheitlich beurteilt.
Entscheidungen gegen ein Kündigungsrecht der Bausparkassen
OLG Stuttgart v. 14.10.2011 – 9 U 151/11
Das OLG Stuttgart stellt in seinem Urteil, dass sich mit einem vollständig angesparten Bausparvertrag befasst fest, dass ein Bausparvertrag solange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Darlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt. Eine Kündigungssperre trete somit erst mit dem Erreichen der Bausparsumme ein.
Dies begründet das OLG Stuttgart damit, dass sich der Bausparer eine niedrige Darlehensverzinsung mit einer niedrigeren Guthabenverzinsung in der Ansparphase sichern könne. Eine höhere Guthabenverzinsung rechtfertige in der Darlehensphase einen höheren Darlehenszins der Bausparkasse. Es bestehe somit (auch während der Zuteilungsreife) ein wechselseitiges Verhältnis. Dieses werde erst mit dem Erreichen der Bausparsumme aufgehoben.
Im Sinne des OLG Stuttgart hat auch das AG Ludwigsburg durch Urteil v. 7.8.2015 – 10 C 1154/15 entschieden, dass der Bausparkasse kein Kündigungsrecht zustehe.
LG Ulm v. 26.1.2015 – 4 O 237/13
Das LG Ulm hatte sich zwar nicht mit einem Bausparvertrag auseinanderzusetzen, sondern mit sog. S-Scala Verträgen, die eine Mindestlaufzeit von 25 Jahren aufweisen und soweit ersichtlich nur von der Sparkasse Ulm angeboten wurden.
Das Urteil des LG Ulm nimmt aber zu einigen allgemeinen Rechtsgrundsätzen Stellung, die sich unseres Erachtens auch auf die Kündigung von Bausparverträgen übertragen lassen. Die Sparkasse Ulm kündigte die Verträge nämlich mit der Begründung, dass die Fortführung aufgrund der aktuellen Zinsentwicklung für sie betriebswirtschaftlich nicht mehr möglich bzw. unzumutbar sei.
Das LG Ulm lehnte ein Kündigungsrecht ab. Dies begründet das LG Ulm damit, dass geschlossene Verträge mit dem vereinbarten Inhalt einzuhalten sind und unvorhersehbare Zinsentwicklungen das Vertragsgefüge grundsätzlich nicht aus den Fugen geraten lassen. Vielmehr verwirkliche sich hier das wirtschaftliche und unternehmerische Risiko der Sparkasse.
Ferner entspreche die Anwendung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Darlehensnehmer (wobei der Gesetzgeber hierbei den Sparer im Sinn hatte) soll gegenüber dem Kreditinstitut geschützt werden, da allein das Kreditinstitut den Zinssatz bestimmt und somit muss Waffengleichheit hergestellt werden. Vorliegend ist jedoch, anders als der Gesetzgeber dies vor Augen hatte, die Sparkasse selbst in der Position des Darlehensnehmers. Eines besonderen Schutzes der Sparkasse als Darlehensnehmer bedürfe es nicht, denn dem Sparer steht kein Zinsbestimmungsrecht zu, so dass es keines besonderen Schutzes der Sparkasse als Darlehensnehmer bedürfe. Die Sparkasse sei bzgl. der Vertragskonditionen in keiner schwächeren Lage als der Sparer.
Entscheidungen für ein Kündigungsrecht der Bausparkassen
LG Mainz v. 28.7.2014 – 5 O 1/14 (ZIP 2015, 470)
Das LG Mainz leitet ein Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB her. Dieses begründet das Gericht damit, dass Zweck des Bauspardarlehens nicht die Erreichung der Bausparsumme sei, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens ab Zuteilungsreife.
Deshalb bestehe eine Kündigungssperre für die Bausparkasse nur dann, wenn sie hierdurch dem Bausparer den Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entziehe. Wenn ein Darlehen jedoch 10 Jahre nach Zuteilungsreife noch nicht abgerufen worden sei, bestehe kein vertragsgemäßer Zustand mehr, der einer Aufrechterhaltung bedürfe.
LG Aachen v. 19.5.2015 – 10 O 404/14 und LG Hannover v. 30.6.2015 – 14 O 55/15
Ebenso leiten das LG Aachen und das LG Hannover ein Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB her. Zur Begründung wird der Eintritt der Zuteilungsreife mit dem in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgesehenen „vollständigen Empfang“ des Darlehensbetrages gleichgesetzt.
Zwar stehe es dem Bausparer frei, das Darlehen nach Zuteilungsreife abzurufen oder nicht. Dennoch rechtfertige sich die Anwendung der Norm aufgrund ihres Sinn und Zwecks, denn Zweck der Vorschriften des § 489 BGB sei es, einen Interessenausgleich zu schaffen und den Darlehensnehmer (in dieser Konstellation die Bausparkasse) vor überlangen Bindungen an festgelegte Zinssätze zu schützen. So sollen marktgerechte Zinsen ermöglicht werden.
Weiter sei es nicht interessengerecht, die Dauer der Ansparphase in das uneingeschränkte Belieben des Bausparers zu stellen, denn die überlange Besparung eines Bausparvertrages entspreche nicht dem Zweck des Bausparens. Das Erreichen der Bausparsumme als Anknüpfungspunkt sei daher zu spät angesetzt, da dies bedeuten würde, dass eine Darlehensgewährung nicht mehr in Betracht komme. Als sachgerechter Anknüpfungspunkt komme es somit auf den Zeitpunkt des Eintritts der Zuteilungsreife an.
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