„Die Wahrheit interessiert mich nicht“

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„Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge“, heißt es häufig, wenn sich Parteien vor Gericht streiten. Sicher ist vor Gericht nur, dass das Gericht ein Urteil fällt (wenn sich die Parteien nicht durch Vergleich einigen). Ob das Urteil dann „richtig“ oder gar „gerecht“ ist, „steht auf einem anderen Blatt“.

Bisweilen müssen zur Wahrheitsfindung erst mehrere Instanzen bemüht werden, bis hin zum Bundesverfassungsgericht, wie der nachfolgende Fall zeigt.

Thomsen & Partner

Der Richter hat gem. § 38 Abs. 1 Deutsches Richtergesetz folgenden Eid in öffentlicher Sitzung eines Gerichts zu leisten:

„Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.“

Möglicherweise war einem Richter am Landgericht Chemnitz die Eidesformel entfallen, als er in einer mündlichen Verhandlung äußerte, dass ihn „die Wahrheit nicht interessiere“. Mit dieser Begründung lehnte er nicht nur einen gestellten Beweisantrag ab, sondern verweigerte auch, die Ablehnung zu protokollieren. Der daraufhin gestellte Befangenheitsantrag gegen den Richter wurde vom LG zurückgewiesen.

Doch damit nicht genug: das OLG Dresden bestätigte die Zurückweisung u.a. mit der Begründung, dass der Anwalt die Pflicht zur Wahrheitsfindung als Druckmittel habe einsetzen wollen!

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Sache mit Beschluss v. 12.12.2012 (2 BvR 1750/12) schließlich wieder „gerade gerückt“. Die eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG als begründet angesehen und die Beschlüsse des LG und OLG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG Chemnitz zurückverwiesen. Auch ein Zivilrichter, so das BVerfG, müsse der Wahrheit dienen (was eigentlich keiner Erwähnung bedurft hätte).

Zwar ist nicht bekannt, wie das LG letztlich entschieden hat. Der Fall bestätigt aber zweierlei: zum einen leider, dass „man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand ist“.  Zum anderen aber auch, dass es sich lohnt, „zu kämpfen“ und ggf. eine Sache auch bis zur letzten Instanz durchzufechten.

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